Innerfamiliäre Gewalt

Partnergewalt ist ein großes gesellschaftliches Problem – auch in Deutschland: Jede vierte Frau hat schon einmal körperliche oder sexualisierte Übergriffe erlebt (lt. BMFSFJ). Gewalt in der Beziehung zu überwinden, ist für jede Frau schwer. Viele betroffene Migrantinnen sind durch ihre Lebenssituation mit zusätzlichen Hürden konfrontiert. Wir unterstützen sie dabei, der Gewalt ein Ende zu setzen, und setzen uns auch öffentlich gegen innerfamiliäre Gewalt ein.

Unsere Themen - Innerfamiliäre Gewalt

Hintergrund und Fakten

Frust, Eifersucht, Besitzdenken oder Machtdemonstration – “Gründe” für Gewalt in Beziehungen oder durch Ex-Partner*innen gibt es viele, gerechtfertigt ist keiner. Die Zahl der jährlich im Bundeslagebild Häusliche Gewalt erfassten Opfer steigt seit Jahren. 2023 machten Frauen rund 80 % der Betroffenen aus. Die Delikte umfassen unter anderem Stalking, Bedrohung und Nötigung, Freiheitsberaubung, Körperverletzung und sexuelle Übergriffe sowie Totschlag und Mord. Rund 70 % der erfassten Opfer von Partnerschaftsgewalt sind Deutsche.

Bei eingewanderten Frauen können, je nach individueller Lebenssituation, migrationsspezifische Faktoren und Lebensumstände dazu führen, dass sie besonders von Partnerschaftsgewalt bedroht sind und schlechtere Voraussetzungen haben, um sich aus von Gewalt geprägten Beziehungen zu lösen. Die Beratung und Unterstützung von betroffenen Migrantinnen bildet daher einen Schwerpunkt in der Arbeit von FIM.

Rechtslage

Wenn die Gewalt zum Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen wird, besteht sehr oft das Problem der Nachweisbarkeit. Denn viele Betroffene nutzen aus Scham oder Unkenntnis die bestehenden Möglichkeiten nicht, ihre Verletzungen durch Ärzt*innen dokumentieren zu lassen, und können keine Beweise vorlegen.

Straf- und Zivilrecht

Grundsätzlich fallen Gewaltdelikte in der Partnerschaft unter das Strafrecht und können entsprechend angezeigt werden. Bei Bedrohung, psychischem Druck oder körperlicher Gewalt gibt es die Möglichkeit, Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz zu erwirken, etwa ein Kontakt- und Näherungsverbot oder eine Wegweisung. Sorgerechts- oder Unterhaltsfragen sind im Familienrecht geregelt.

Aufenthaltsrecht

Für viele Migrantinnen stellte bisher das Aufenthaltsrecht eine große Hürde dar, denn ein vom Partner abhängiger Aufenthaltsstatus verfiel bei einer Trennung – eine vollkommen unzumutbare Regelung. Inzwischen ist das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) vollumfänglich in Kraft getreten. Es legt fest, dass ein Opfer „im Fall der Auflösung der Ehe oder Beziehung bei besonders schwierigen Umständen auf Antrag einen eigenständigen Aufenthaltstitel unabhängig von der Dauer der Ehe oder Beziehung erhält.“ Wie genau dies in der Umsetzung künftig gelöst wird, muss sich noch zeigen – es ist zu hoffen, dass das Potenzial dieses Artikels im Interesse gewaltbetroffener Frauen konsequent ausgeschöpft wird.

Die Lage der Betroffenen

Durch ihre besondere Lebenslage und strukturelle Rahmenbedingungen sind Migrantinnen Gewalt in der Partnerschaft oft besonders ausgeliefert: Viele geflüchtete Frauen sowie Migrantinnen aus dem Globalen Süden leben hier in schwierigen sozialen Verhältnissen. Faktoren wie ein eher geringes Bildungs- und Ausbildungsniveau, Erwerbslosigkeit, Armut, ein prekärer Aufenthaltsstatus oder soziale Isolation sowie die Herkunft aus einem Milieu, in dem Gewalt weit verbreitet ist, erhöhen das Risiko, selbst Gewalt zu erfahren.

Auch die Voraussetzungen dafür, sich gegen einen gewalttätigen Partner zu behaupten, sind oft schlechter: Vielen Migrantinnen fehlt hier ein stärkendes sozio-familiäres Netzwerk. Auch mangelnde Deutschkenntnisse erschweren den Zugang zu professioneller Unterstützung. Viele Neubürgerinnen wissen auch schlicht nicht, dass es überhaupt ein Hilfesystem für Gewaltopfer gibt.

Frauen, die sich gern trennen würden, werden oft von den oben geschilderten aufenthaltsrechtlichen Schwierigkeiten daran gehindert: Um ihre Aufenthaltsgenehmigung zu behalten, bleiben sie beim Partner und nehmen die Gewalt in Kauf. Allein ins Herkunftsland zurückzukehren, kommt meist nicht in Frage: Die Ursachen für die Migration – Krieg, Verfolgung oder Perspektivlosigkeit – bestehen meist nach wie vor und treffen alleinstehende Frauen oft umso härter.

Bedarfe

Angesichts dieser komplexen Problemlagen fühlen sich viele Betroffene überfordert und orientierungslos. Sie benötigen besonders niedrigschwellige, erstsprachliche und kultursensible Beratung. Ein wichtiger Weg zur Hilfe ist die Empfehlung durch eine Vertraute. Deshalb ist es sehr wichtig, dass Beratungsstellen in migrantischen Communities Vertrauen aufbauen. Oft ist den Frauen zunächst zwar klar, dass ihr Leben so nicht weitergehen kann, aber sie sehen keine Perspektive für sich. Sie brauchen deshalb ergebnisoffene und ganzheitliche Unterstützung: In schweren Fällen geht es zunächst darum, der Gewalt zu entkommen – entweder durch sichere Unterbringung* oder polizeiliche Maßnahmen gegen den Täter. Aufklärung über rechtliche Möglichkeiten und intensive psychosoziale Begleitung und Stärkung hilft Betroffenen, sich über die Zukunft ihrer Beziehung klar zu werden. So gelingt es vielen nach und nach, ihre Beziehung zu ändern oder zu beenden, das Erlebte zu verarbeiten und sich ein neues Leben aufzubauen.

* Frauenhäuser weisen viele ausländische Schutzsuchende ab, da die Behörden die Kosten bei bestimmten Aufenthaltssituationen nicht tragen. Es braucht dringend eine politische Lösung, die allen Frauen unabhängig vom Aufenthaltsstatus – auch dann, wenn kein Anspruch auf staatliche Leistungen besteht – sichere Notplätze zugänglich macht!

Beratung, Advocacy und Vernetzung

Beratung

Wir informieren Betroffene über ihre Rechte und Möglichkeiten. Durch psychosoziale Beratung und Begleitung unterstützen wir sie dabei, einen Weg zu finden, die Gewaltdynamik zu überwinden. Wir helfen bei Fragen rund um Anzeigeerstattung, sichere Unterkunft, Trennung, Aufenhalts- oder Umgangsrecht, und stehen den Betroffenen auch über die Trennungsphase hinaus zur Seite, solange sie Unterstützung benötigen.

Advocacy und Vernetzung

FIM ist Mitglied im Frankfurter Arbeitskreis gegen Gewalt an Frauen und Mädchen, einem Zusammenschluss von Behörden, Polizei, Organisationen und Einrichtungen, die in ihrem Alltag mit den vielfältigen Auswirkungen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen konfrontiert sind. Durch Vernetzung und Zusammenarbeit tragen die Mitglieder dazu bei, die Wahrnehmung verschiedener Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu verbessern und auf städtischer Ebene ins Bewusstsein zu rücken. So soll nicht nur die Versorgung von betroffenen Frauen und Mädchen verbessert, sondern auch die Prävention gestärkt werden.