Menschenhandel

Menschenhandel tritt in diversen Formen auf und betrifft alle Geschlechter. Als Koordinierungsstelle des Landes Hessen gegen Menschenhandel bietet FIM psychosoziale Beratung und Begleitung für Betroffene und Angehörige sowie Schulungen für Fachkräfte an.

FIM ist eine von 40 Fachberatungsstellen im bundesweiten Netzwerk des Koordinierungskreises gegen Menschenhandel (KOK e.V.).

Unsere Themen - Menschenhandel

Was ist Menschenhandel?

Menschenhandel liegt vor, wenn eine Person unter Ausnutzung ihrer Zwangslage in eine Ausbeutungssituation gebracht wird. Eine Zwangslage kann dabei eine wirtschaftliche oder persönliche Notsituation sein.

Ausbeutung kann in verschiedenen Bereichen geschehen:

  • sexuelle Ausbeutung / Zwangsprostitution
  • Arbeitsausbeutung
  • Ausbeutung von Betteltätigkeit
  • Ausbeutung strafbarer Handlungen
  • erzwungene Organentnahme
  • Ausbeutung von Leihmutterschaft, Zwangsverheiratung und illegale Adoption (werden ab Juli 2026 als Bereiche gesetzlich unter Menschenhandel erfasst)

Menschenhandel ist eine schwere Menschenrechtsverletzung und verstößt gegen das Recht eines jeden Menschen auf persönliche Freiheit sowie auf psychische und physische Unversehrtheit. Oftmals geht der Menschenhandel mit Zwang, Nötigung, Gewalt oder Täuschung einher.

Betroffene kommen aus allen Ländern der Welt. Auch Deutsche sind betroffen.

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Arbeitsschwerpunkte bei FIM:

Sexuelle Ausbeutung

Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung ist von der legalen Prostitution abzugrenzen. Während Prostitution in Deutschland eine rechtmäßige Erwerbstätigkeit darstellt, liegt Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung vor, wenn Personen unter Ausnutzung einer Zwangslage oder durch Täuschung, Drohung oder Gewalt zu sexuellen Handlungen gebracht werden und in ihrer Handlungsfreiheit derart eingeschränkt sind, dass sie keine autonomen Entscheidungen treffen können. Die Betroffenen werden nicht oder nicht angemessen entlohnt und müssen häufig unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen arbeiten.

Sexuelle Ausbeutung umfasst sowohl entgeltliche sexuelle Handlungen als auch ihre digitalen und medialen Formen. Dazu gehören die Produktion und Verbreitung von Webcam-Angeboten, pornografischem Material und Missbrauchsdarstellungen. Auch Online-Plattformen wie OnlyFans oder ähnliche Dienste können zur Zwangsausübung und Vermarktung sexueller Inhalte missbraucht werden.

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Anwerbemethoden und Ausbeutungsstrukturen

Die Anwerbung erfolgt durch unterschiedliche Strategien: Betroffene werden über Online-Anzeigen, Social-Media-Kontakte, persönliche Netzwerke oder Agenturen rekrutiert und über die tatsächliche Tätigkeit oder die Bedingungen getäuscht. Häufig werden vermeintlich legale Beschäftigungsverhältnisse vorgetäuscht, bevor Personen durch Gewalt, Drohung oder Druckmittel zur Erbringung sexueller Dienstleistungen gezwungen werden. Aber auch Personen, die sich freiwillig für Prostitution entscheiden, können mit Arbeitsbedingungen konfrontiert werden, denen sie nicht zugestimmt haben, und durch Zwang darin gehalten werden.

Eine zentrale Anwerbemethode stellt die sogenannte Loverboy-Methode dar, bei der Frauen jeden Alters durch manipulative Beziehungsanbahnung emotional abhängig gemacht werden. Die Täter*innen bauen gezielt romantische oder freundschaftliche Beziehungen auf – überwiegend über soziale Netzwerke, Chats oder Onlineplattformen – und wenden psychische Gewalt, Gaslighting, Isolation sowie emotionale Erpressung an, um die Betroffenen zu manipulieren und zu kontrollieren.

Die Täter*innen drohen mit der Veröffentlichung kompromittierenden Materials, körperlicher Gewalt und mit der Gefährdung der materiellen Existenz, um die Betroffenen zur Prostitution oder Erstellung pornografischen Materials zu zwingen und langfristig in der Ausbeutungssituation zu halten.

Taschengeldtreffen sind Verabredungen, bei denen Jugendliche jeden Geschlechts gegen geringe finanzielle Zuwendungen sexuelle Handlungen vornehmen – oft scheinbar freiwillig. Diese Treffen dienen jedoch häufig als Einstieg in eine systematische Ausbeutung und Zwangsprostitution. Täter*innen nutzen das Vertrauen und die anfängliche Freiwilligkeit der Jugendlichen, um sie nach und nach in Abhängigkeiten und Zwangsverhältnisse zu drängen. Laut dem Bundeslagebericht Menschenhandel   2024 wurden rund 18% Prozent aller Betroffenen sexueller Ausbeutung über diese Methode angeworben. Dies verdeutlicht die Dringlichkeit geschlechtssensibler Schutz- und Präventionsangebote im Jugend- und Opferschutz.

Arbeitsausbeutung und Zwangsarbeit

Arbeitsausbeutung ist eine Form des Menschenhandels, bei der Personen unter Zwang, Täuschung oder Ausnutzung ihrer Notlage zur Arbeitsleistung bewegt werden, von der andere profitieren. Betroffene werden dabei gezielt in Situationen gebracht, in denen sie ihre Arbeit nicht frei wählen können und die Arbeitsbedingungen sie stark benachteiligen. Kurz gesagt: Arbeitsausbeutung liegt vor, wenn Menschen zur Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit gezwungen und ausgebeutet werden. Schlechte Arbeitsbedingungen, Arbeitsausbeutung und Zwangsarbeit unterscheiden sich in ihrer Schwere und Dimension:

  • Schlechte Arbeitsbedingungen können etwa unfaire Bezahlung, überlange Arbeitszeiten oder mangelnde Sicherheitsstandards sein, ohne dass unmittelbar Zwang oder Täuschung vorliegt.
  • Arbeitsausbeutung geht darüber hinaus und umfasst Situationen, in denen die Betroffenen durch Täuschung, Notlagen oder Drohungen gezielt ausgenutzt werden.
  • Zwangsarbeit stellt die schwerwiegendste Form dar: Menschen werden mittels Drohung, Gewalt und Freiheitsentzug dazu gezwungen, einer Arbeit unter prekären und ausbeuterischen Bedingungen nachzugehen. Es besteht nicht die Möglichkeit, diese Tätigkeit zu verlassen.

Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung und Zwangsarbeit zeichnet sich durch klare Muster aus. Typische Merkmale sind extrem lange Arbeitszeiten ohne Ausgleich, vorenthaltener Lohn, gefährliche oder gesundheitsschädliche Arbeitsbedingungen, prekäre Unterbringung und Abhängigkeit durch Verschuldung. Hinzu kommen gravierende Einschränkungen der persönlichen Freiheit, wie das Wegnehmen von Reisedokumenten, körperliche oder seelische Misshandlung, Drohungen, Erpressung sowie die Einschränkung von Kommunikation und Bewegungsmöglichkeiten. Täter*innen nutzen gezielt die Notlage der Betroffenen, täuschen über die Arbeitsbedingungen und setzen Zwang oder Drohungen ein, um die Arbeit fortzuführen oder aufrechtzuerhalten.

Arbeitsausbeutung kann grundsätzlich in allen Branchen vorkommen, doch einige Bereiche sind dafür besonders prädestiniert. Dazu zählen vor allem das Baugewerbe, die Landwirtschaft, die Gastronomie, Pflege- und Reinigungsdienste sowie bestimmte Produktionsbereiche, in denen Arbeitskräfte häufig unter prekären Bedingungen in Deutschland beschäftigt sind und in denen meist migrantische Menschen tätig sind, die bereits aus prekären Lebensverhältnissen kommen und meist ohne berufliche Qualifikation sind.

Fehlende Sprach- und Rechtskenntnisse, Barrieren beim Zugang zum regulären Arbeitsmarkt (lange Anerkennungsverfahren) sowie aufenthaltsrechtliche Vorgaben können Zwangssituationen begünstigen und es den Betroffenen erschweren, aus ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen auszusteigen.

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Zahlen und Fakten

In Deutschland werden Betroffene von Menschenhandel in verschiedenen Statistiken erfasst. Das Bundeskriminalamt stellt in seinem jährlichen Lagebild nur die abgeschlossenen Strafverfahren zu Menschenhandel dar. In den letzten Jahren lag diese Zahl jährlich bei 500 Verfahren. Die Mitgliedsorganisationen des KOK e.V. bilden in ihrer Statistik die Anzahl der Betroffenen ab, die beraten worden sind. Die Zahl der Beratenen bewegte sich in den letzten Jahren zwischen 700 und 900, davon sind an die 90 % weiblich und knapp 40 % jünger als 30 Jahre, um die 70 % wurden sexuell ausgebeutet.

Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte veröffentlicht im Monitor Menschenhandel in Deutschland Zahlen, die eine Sammlung aus in Deutschland erhobenen Daten zu Menschenhandel darstellt.

Auf globaler Ebene schätz die ILO (Internationale Arbeitsorganisation) die Zahl der von Menschenhandel Betroffenen auf etwa 27,6 Millionen Menschen.

All diese Zahlen stellen nur die Spitze des Eisbergs dar, bilden also nur das Hellfeld ab.

Rechtslage / Strafverfolgung

Menschenhandel und Ausbeutung stellen Straftaten dar. Im 18. Abschnitt des Strafgesetzbuchs (StGB) sind sie als Delikte gegen die persönliche Freiheit geregelt. Die entsprechenden Vorschriften finden sich ab §§ 232 StGB ff.

Die Reform der EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels, die 2024 in Kraft getreten ist, muss bis 2026 in deutsches Recht umgesetzt werden. Diese Änderungsrichtlinie erweitert unter anderem die Definition des Menschenhandels und führt neue Formen der Ausbeutung ein. Daher werden in naher Zukunft Anpassungen der Straftatbestände in folgenden Bereichen erwartet:

  • Zwangsheirat (aktuell §237 StGB)
  • Ausbeutung von Leihmutterschaft
  • Illegale Adoption

Die Strafverfolgung ist schwierig und komplex. Vor Gericht sind die Verbrechensopfer als wichtige Zeug*innen unverzichtbar. Ihre Aussage ist oft das zentrale Element im Verfahren.

Aus Angst vor den Strafverfolgungsbehörden, verbunden mit einem tiefen Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen generell, aus Furcht vor den Täter*innen, Angst um die eigene Familie, aber auch aufgrund fehlender Einkommensmöglichkeiten, sind Betroffene oft nicht in der Lage, sich aus ihrer Zwangs- und Ausbeutungssituation zu lösen und in einem Strafverfahren auszusagen. Daher ist eine engmaschige Begleitung zur Stabilisierung der Opferzeug*innen unverzichtbar.

Opferrechte

Menschenhandelsopfer haben Rechte auf Schutz, Unterstützung und Entschädigung, die im deutschen und europäischen Recht verankert sind und in Hessen durch die Kooperationsvereinbarungen des Runden Tisches gegen Menschenhandel zwischen Strafverfolgungsbehörden, Ausländerbehörden, Sozialbehörden und

den Fachberatungsstellen geregelt sind.

Sie haben Anspruch auf:

  • Beratung, Begleitung und Betreuung durch eine Fachberatungsstelle
  • Recht auf Information über die spezifischen Opferrechte und über den Verlauf eines Strafverfahrens
  • eine sichere Unterkunft, Schutz durch polizeiliche Maßnahmen
  • medizinische und psychologische Betreuung
  • materielle Hilfe
  • im Verfahren nach dem sozialen Entschädigungsrecht (SER) beim Versorgungsamt soziale Entschädigung bei gesundheitlichen Schäden infolge einer rechtswidrigen Gewalttat
  • Im Strafverfahren haben Betroffene von Menschenhandel Anspruch auf kostenfreie rechtliche Vertretung als Nebenkläger*in oder durch einen Zeug*innenbeistand. Zusätzlich steht psychosoziale Prozessbegleitung zur Verfügung.
  • Betroffene können zudem Anspruch auf Schadensersatz und Entschädigung für erlittene materielle und immaterielle Schäden geltend machen. Diese Rechte gewährleisten umfassenden Opferschutz und eine faire Verfahrensführung entsprechend nationalen und internationalen Rechtsnormen.

Nicht-Deutsche Opfer von Menschenhandel haben einen Anspruch auf einen vorläufigen dreimonatigen Aufenthalt zur Stabilisierung und Entscheidungsfindung über die Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden (sog. Bedenk- und Stabilisierungsfrist).

Wenn sie sich für eine Aussage bei der Polizei entscheiden, haben sie – wenn das Gericht sie für eine Zeugenaussage benötigt – einen Anspruch auf einen Aufenthalt für die Zeit des Gerichtsverfahrens.

In der Realität existieren viele Hürden, die die Umsetzung dieser Rechte erschweren oder auch verhindern können. Dies gilt insbesondere, wenn Vorgänge in Behörden zu lange dauern, um den Schutz zu gewährleisten oder die Barrieren, um diese Rechte überhaupt wahrzunehmen, zu hoch sind.

Menschenhandel und Asyl

Betroffene von Menschenhandel können als Opfer schwerer Menschenrechts-verletzungen u. a. eine Flüchtlingsanerkennung nach der Genfer Flüchtlingskonvention (§ 3 AsylG) erhalten, sie gelten nach der sogenannten Aufnahme-Richtlinie der EU als besonders schutzbedürftig. Ihnen stehen somit besonderer Schutz und Unterstützung sowie spezifische Verfahrensrechte im Asylverfahren zu. Diese Rechte greifen dabei bereits ab dem Zeitpunkt der Identifizierung als potenzielles Opfer und nicht erst nach Abschluss eines Ermittlungsverfahrens.

Zu den besonderen Rechten im Asylverfahren gehört die Befragung durch eine besonders auf Menschenhandel geschulte Person (Sonderbeauftragte).

Asylbewerber*innen in Deutschland können im Heimatland, auf der Flucht und/oder auch in Deutschland Opfer von Menschenhandel geworden sein.

Das Dublin-Verfahren: drohende Abschiebung an den Ort der Gewalt 

Besonders problematisch erweist sich für Opfer von Menschenhandel in der Praxis das sogenannte Dublin-Verfahren. Die europäische Dublin-Verordnung besagt, dass derjenige Staat für ein Asylverfahren zuständig ist, in dem die asylsuchende Person erstmals europäischen Boden betreten hat. Da allerdings die Ausbeutung der Betroffenen oft während der Flucht in diesen Ersteintrittsländern geschieht, ist eine Rückführung in dieses Land problematisch.

Beratung und Prävention

Seit der Gründung von FIM ist die Unterstützung der von Menschenhandel betroffenen Personen ein zentrales Anliegen. Wir begleiten, beraten und unterstützen Betroffene umfassend und setzen uns gleichzeitig für die Sensibilisierung von Fachkräften und Behörden ein.

Wir bieten:

  • Bildungsarbeit:
    • Fortbildungen und Fachveranstaltungen zu Menschenhandel für relevante Berufsgruppen
  • Intervention:
    • psychosoziale Beratung, Begleitung und Case Management
    • kollegiale Beratung
  • Mobile Beratung und Clearing

Unsere Beratung steht allen offen, unabhängig von Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung. 🏳️‍⚧️

Öffentlichkeitsarbeit, Advocacy, Vernetzung

Im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Arbeit, Integration, Jugend, Soziales und Integration ist FIM seit 1999 Hessische Koordinierungs- und Fachberatungsstelle in der Arbeit gegen Menschenhandel und zentrales Mitglied des Runden Tisches “Bekämpfung von Menschenhandel in Hessen”.

FIM hat den Aufbau des bundesweiten Koordinierungskreises gegen Menschenhandel e. V. (KOK), einem Zusammenschluss von Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel in Deutschland, unterstützt und arbeitet eng mit ihm zusammen.

FIM ist zudem aktives Mitglied bei ECPAT Deutschland e.V., der Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung.

Die Europäische Kommission hat FIM 2018 als eine der zehn wichtigsten deutschen Interessenvertreter*innen für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten und Menschenhandel im Sinne der EU-Opferschutzrichtlinie ausgezeichnet.